Podiumsdiskussion
Der Alverskirchener CDU-.Vorsitzende Werner Lemberg begrüßte zu der Podiumsdiskussion rund um 16 Monate Corona-Pandemie die Gesundheitsdezernentin des Kreises, Brigitte Klausmeier, Everswinkels Bürgermeister Sebastian Seidel; Foto Klaus Meyer, WN Wie hilft man sich, wenn man relativ kurzfristig eine Mitgliederversammlung noch mit einem aktuellen Thema und kompetenten Referenten aufpeppen möchte? Ganz einfach: Man schaut mal, wen man so in den eigenen Reihen findet.
Der Alverskirchener CDU-Vorstand wurde fündig. Für die Diskussion rund um 16 Monate Corona-Pandemie fanden sich mit Bürgermeister Sebastian Seidel, Brigitte Klausmeier – ihres Zeichens Gesundheitsdezernentin beim Kreis Warendorf – und David Schubert, Leiter des Krisenstabes beim Landschaftsverband, drei Gesprächspartner aus dem eigenen lokalen Lager, die Einblicke in Handlungsabläufe der vergangenen Monate gaben.
Schubert, der die Rolle des Moderators übernahm, stieg mit einem offenen Selbstbekenntnis ein: „Ich habe ehrlich gesagt keinen Bock mehr nach 16 Monaten. Ich bin urlaubsreif.“ Und seine Gesprächspartner? „Ich hatte zwischendurch Punkte, wo ich gedacht habe, du willst das nicht mehr“, räumte auch Klausmeier ein. Jetzt sei sie geimpft und „mir geht’s wieder ganz gut“. Dienstlich gesehen sei die Phase natürlich anstrengend, knüpfte Seidel an. „Ich habe das erste Mal im letzten Sommer mein Dienst-Handy mit in den Urlaub genommen, weil immer etwas kam. Das ist nicht vergnügungssteuerpflichtig“, blickte der Verwaltungschef zurück, der selbst auch die privaten Treffen vermisste. „Da merkt man, was einem fehlt.“ „Als das in Heinsberg losging, war das für mich unheimlich weit weg“, das habe sie noch gar nicht so ernst genommen damals, räumte Klausmeier ein. Dann kam die Warnung der Bundeskanzlerin, die das Bewusstsein schärfte. Mit dem ersten Corona-Toten „merkten wir wirklich, dass wir in einer Krise sind“. Auf Kreisebene habe man viele Dinge früh initiiert. Auch in der Gemeinde begann seinerzeit viel Organisationsarbeit. Mit den Amtsleitern seien Maßnahmen besprochen worden, dann folgte der Dialog mit Vereinen, blickte Seidel zurück. Es sei ein „ungutes Gefühl“ gewesen, den Leuten nun das zu nehmen, was lange vorbereitet worden sei und auf das man sich gefreut habe, spielte Seidel auf die gestrichenen Frühjahrs Wies’n sowie die folgenden abgesagten Feste an. Im Rathaus wurden ein Vormittags- und ein Nachmittags-Team gebildet, um die Arbeitsfähigkeit der Verwaltung zu gewährleisten. Mittags und abends seien die Reinigungskräfte zum Desinfizieren durchs Haus gezogen. Masken, Spuckschutz, Einzelbüros, Home-Office, Rathaus-Schließung für die Öffentlichkeit – „Wir haben großes Glück gehabt. Im Rathaus hat sich niemand angesteckt.“ Erst kürzlich sei man wieder zur Arbeit in Doppelbüros zurückgekehrt.
Warum der Kreis Warendorf von der Pandemie zeitweilig deutlich stärker betroffen gewesen sei als andere Münsterlandkreise, wollte Schubert wissen. Die Gesundheitsdezernentin des Kreises hatte darauf eine plausible Antwort: „Das liegt an unserer geografischen Lage“, man grenze ans Ruhrgebiet. „Wir haben gemerkt, dass häufig Infektionen rübergeschwappt sind. Die Karte wurde nach Süden immer roter“, blickte sie auf die Regionsgrenze Ahlen-Hamm. „Mittlerweile stehen wir ganz gut da.“ Beim Tönnies-Vorfall „war das Gefälle ganz eklatant zu spüren“, griff Seidel den Faden auf. „Da ist man dann auch in einer Mithaftung“, erklärte er mit Hinweis auf die beschlossene Lockdown-Regelung für Landkreise. „Was mich gestört hat, war die Stigmatisierung in Münster“, zeigte der Bürgermeister keinerlei Verständnis dafür, dass Bürger aus dem Kreis Warendorf zunächst allein dort Masken tragen mussten und schließlich teilweise sogar noch persönlich angegangen worden seien. „Das hatte nichts mehr mit gesundem Menschenverstand zu tun.“ Ein nachhaltiges Scheiben an den Münsteraner Oberbürgermeister sorgte für einen Sinneswandel.
Zweifellos gelitten mit noch nicht absehbaren Spätfolgen haben Kinder und Jugendliche, für die Schule zum Wechselspiel zwischen Home-Schooling, Wechsel- und Präsenzunterricht wurde. Die Lernverluste sieht auch Brigitte Klausmeier, da sei einiges nachzuholen, und es sei zu hoffen, dass es im Herbst nicht wieder zu solchen Situationen komme, sondern Präsenzunterricht möglich sei. Im Jugendamtsbereich „merken wir schon die Folgen. Wir stellen fest, dass viele Familien an ihre Grenzen kommen“. Etliche Familien hätten von sich aus Kontakt zum Jugendamt und Hilfe gesucht. Seidel verwies zudem auf mögliche Defizite der motorischen Fähigkeiten im Primarbereich sowie die mangelnden Kontakte der Kinder in der Pandemiezeit. „Das holt man nicht so schnell auf.“
Schubert widmete sich auch dem Aspekt Digitalisierung, erinnerte an die Modellregion Kreis Warendorf für die Luca-App, die Nutzung des Erfassungstools Sormas und gestaltete seine Moderation kenntnis- und abwechslungsreich.
Mit Fotos von Gesundheitsminister Spahn und SPD-Gesundheitsexperte Lauterbach fragte er nach spontanen Empfindungen. Klausmeiers Bild war differenziert. Spahn habe zunächst „richtig Mut gemacht, dann auch enttäuscht“. Seidel sah Lauterbachs dauerhafte Medienpräsenz kritisch. „Er vermischt manchmal sein politisches Mandat mit seiner wissenschaftlichen Expertise.“
Die Frage Schuberts zum Abschluss nach Wünschen und Hoffnungen brachte erwartbare und nachvollziehbare Antworten: „Vorsichtig bleiben“, „Impfen ist das A und O“, „dass wir nicht wieder in einen Lockdown kommen“, „Rückkehr zur Normalität“. Und, so Seidel: „Dass die Menschen weiter so zusammenstehen.“
Quelle: Klaus Meyer, WN