Die Ministerin für Schule und Bildung Dorothee Feller war Gast auf der Gemeindeverbandsversammlung
Schul- und Bildungsministerin Dorothee Feller; Foto: Klaus Meyer, WN MdL Markus Hohner, BM Sebastian Seidel, Dirk Folker, Ministerin Dorothee Feller, Lars Thiemann, Katrin Schulze Zurmussen, Andrè Gerbermann, Werner Lemberg, Florian Eßlage;
Foto: Klaus Meyer, WN Die Ministerin für Bildung und Schule in NRW persönlich vor Ort – das war auch für den Gasthof Diepenbrock am Mittwochabend ein weiterer prominenter politischer Gast in der Geschichte des Hauses. Eine Woche nach der Panne mit den zentralen Abi-Klausuren sowie einer weiteren IT-Panne beim Landesinstitut für Schule am Montag stand Feller in Everswinkel Rede und Antwort zum Thema „Zukunft der Schulen in NRW“. Und dies ohne jegliche Panne.
Das Themen- und Arbeitsfeld „Schule“ ist groß, die Herausforderungen und Erwartungen an eine Ministerin sind entsprechend hoch. Feller, zuvor Regierungspräsidentin in Münster, wurde von der CDU-Gemeindeverbandsvorsitzenden Katrin Schulze Zurmussen mit dem Lob, „Sie kennen nicht nur die Region, sondern wissen auch, wie der Hase läuft“, sowie der Bemerkung, dass bei den Vorgänger-Ministerinnen Löhrmann und Gebauer „an berechtigter Kritik nicht gespart wurde“, begrüßt. Nun hat auch Feller, die im Juni 2022 ins Ministeramt wechselte, schon öffentliche Kritik einstecken müssen durch die IT-Pannen. Am Mittwochabend war das aber kein Thema.
Feller ist mit vielen Baustellen im Schulbereich konfrontiert, wie sie in ihrer frei gehaltenen Rede aufzeigte. „Das größte Problem ist der Lehrermangel“, stieg sie ein. 8000 Stellen seien unbesetzt. Grundschulen, Sekundarstufen I und II, Sonderpädagogik – „in vielen Bereichen fehlen uns schlichtweg die Lehrkräfte“. Im Ministerium sei ein Handlungskonzept erarbeitet worden, um dem Missstand zu begegnen. So sollen mehr Plätze für die Lehrerausbildung geschaffen und geeigneten Quereinsteigern der Seiteneinstieg erleichtert werden. „Wir müssen schneller an junge Lehrkräfte im Grundschulbereich kommen.“ Zweiter Ansatzpunkt: Mehr Wertschätzung. In Stufen soll das Eingangsgehalt aller Lehrkräfte an Grundschulen und in der Sekundarstufe I bis 2026 auf A13 angehoben und damit den gymnasialen Gehältern angeglichen werden. Zusatzkosten fürs Land rund 900 Millionen Euro. „Es ist gut, dass wir es gemacht haben.“ Auch das Thema Entlastung für die Lehrkräfte sei „sehr wichtig“. Kinder, die heute in die Schule kämen, bräuchten mehr Begleitung als in früheren Zeiten. Altershelfer sollen dafür sorgen. Künftig sollen auch Abordnungen von Lehrkräften von Schulen mit personellem Überhang an andere Schulen mit Unterhang leichter möglich sein. Die bisherige Grenze von 35 Kilometern kommentierte Feller so: „Das geht in Zeiten des Lehrermangels einfach nicht.“ Der Radius wird auf 50 Kilometer ausgedehnt. Auch Lehrkräfte-Anträge auf Teilzeit, für die kein Grund anzugeben sei, werden in der Einzelfallentscheidung kritischer betrachtet. „Wir sind in einer Zeit, in der wir jeden Lehrer, jede Lehrerin brauchen.“
Ein besonderes Anliegen der Ministerin seien die Grundschulen. Eine Studie habe gezeigt, dass bis zu 25 Prozent der Kinder die Mindestanforderungen nicht erfüllten. Viertklässler würden ihre Lücken mit auf die weiterführende Schule nehmen und möglicherweise ihr Leben lang mit sich schleppen. „Das muss uns echt beunruhigen. Da müssen wir unbedingt etwas machen.“ Den Lehrkräften an den Grundschulen sei „in den vergangenen Jahren viel zugemutet worden“. Während es an weiterführenden Schulen Kernlernpläne gibt, habe es das an Grundschulen nicht gegeben. „Wir müssen an den Basiskompetenzen der Kinder arbeiten“, betonte Feller. So soll vom nächsten Schuljahr an verbindlich drei Mal in der Woche konzentriert in den Grundschulen gelesen werden.
„Wir wollen auch künftig bei der Schulanmeldung ein Screening machen, um zu sehen, wo hat ein Kind noch Förderbedarf“ – und dann müsse es diese Förderung auch geben. „Wir dürfen auch die Elternhäuser nicht aus dem Blick lassen“, verwies sie darauf, dass rund 40 Prozent der Eltern ihren Kindern nicht mehr vorlesen würden. „Das bildet auch den Wortschatz.“ Der Wortschatz von Kindern, die heute eingeschult werden, sei viel geringer als in früheren Zeiten.
Ein aktuelles Thema seien die Flüchtlingskinder. Rund 90 000 Kinder befänden sich in NRW derzeit in der Erstförderung (Deutsch-Unterricht für zwei Jahre), davon 38 000 aus der Ukraine. „Das ist eine Riesenherausforderung, die wir stemmen müssen.“
Ein klares Bekenntnis gab's von der Ministerin für die berufliche Ausbildung. „Die ist genauso viel wert wie das Abitur und das Studium hinterher.“ Dafür müsse mehr geworben werden. Es müsse nicht immer das Gymnasium sein. Feller appellierte an die Betriebe, qualifizierte Praktikumsplätze anzubieten, die in Ausbildungsplätze übergehen könnten. Feller schnitt ferner die Themen Schulfinanzierung („Ich glaube, dass wir die mal überprüfen müssen, ob sie in heutiger Zeit noch passt.“),
Digitalisierung an den Schulen (durch die Pandemie und den Digitalpakt habe es einen „ordentlichen Schub“ gegeben, aber es sei noch einiges zu tun) und die Demokratiebildung an. „Die Schule hat da eine ganz wichtige Rolle“; in der Schule gelte es, den Schülern Demokratiekompetenz zu vermitteln, da könne man sich nicht nur auf die Elternhäuser verlassen.
Die Jugendkriminalität und die Kriminalität an Schulen nehme zu, da sei das Verständnis, wie Demokratie aufgebaut ist, existenziell. „Wir brauchen mündige Bürgerinnen und Bürger“, schloss sie ihren Streifzug, dem eine angeregte Diskussion mit diversen Fragen aus der rund 50-köpfigen Zuhörerschaft folgten. Und auch ein Lob: „Ich freue mich, dass wir nicht einmal von Ihnen gehört haben, schauen wir mal', sondern es war sehr konkret“, so eine Zuhörerin. Eine Lehrerin.
Quelle: Klaus Meyer, WN